Im Grunde ist es vollkommen egal, ob es das erste, zweite oder sechste Kind ist. Es ist auch egal, woher wir kommen und wie gut wir über die Geburt als biologischen Prozess informiert sind. Im Grunde wünscht sich jede werdende Mutter eine schöne Geburt. Ausnahmslos jede hofft, dass alles gut wird. Dabei mag jede Schwangere eine ganz eigene Vorstellung von einer „schönen Geburt“ haben. Während Mutti A am liebsten bis-zur-Nasenspitze-im-Wasser-hockend entbinden möchte, wünscht sich Mutti B so früh es geht eine Einleitung und PDA. Die Geister können sich also durchaus scheiden, wenn es darum geht zu definieren, was genau zu einer „schönen Geburt“ dazugehört. Der einzige Faktor, der in meinen Augen, nicht fehlen darf, ist die Selbstbestimmung. Wie auch immer diese Selbstbestimmung konkret für diese Schwangere aussehen mag, ist es wichtig, dass Sie entscheiden kann, wie sie gebären möchte.

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Ist das nicht der Fall, haben wir ein Problem. Oder besser gesagt, die Gebärende hat ein Problem. Seitens der Geburtshilfe stellt sich natürlich die Frage, wie man einen optimalen Mittelweg zwischen der mütterlichen Selbstbestimmung und der körperlichen Unversehrtheit des Kindes findet. Das ist das große Motto der Geburtsmedizin: „Sämtliche Einflüsse auf die Mutter geschehen im Namen der kindlichen Gesundheit“. So weit, so gut. Als würden das mütterliche Wohlbefinden und die kindliche Sicherheit sich IMMER gegenseitig ausschließen… Verflixt aber auch!

Und damit bin ich auch schon beim heutigen Thema angekommen.

Gewalt in der Geburtshilfe und wie man sich dagegen wehrt

Grundsätzlich muss man sagen, in Deutschland gibt es zu gewaltsamen Geburten keine wissenschaftlich repräsentativen Studien. Es gibt eine Menge Betroffener, es gibt eine Frau Christina Mundlos mit ihrem Buch zu dem Thema und es gibt vereinzelte journalistische
Untersuchungen. So zum Beispiel eine Umfrage des Spiegels aus 2019 mit 10 000 Teilnehmerinnen. Nach dieser Umfrage erleben 40% bis 50% aller Gebärenden die eine oder andere Form der Gewalteinwirkung unter der Geburt.

Natürlich wird zwischen unterschiedlichen Formen der Gewalt unterschieden. Es gibt die verbale/moralische Gewalt also Beleidigungen, Respektlosigkeiten und unzureichende Aufklärung. Es gibt aber auch die physische Form der Gewalt also schlagen, kneifen, unnötige medizinische
Eingriffe, unnötige Grobheit oder Vernachlässigung. Man kann also von unterschiedlichen Schweregraden der Gewalteinwirkung unter der Geburt sprechen.

Auch die eigene Wahrnehmung spielt eine Rolle

Ebenso muss ich fairerweise sagen, dass die Patienten auch vollkommen verschieden sind. Was die eine Frau als ganz furchtbar empfindet, nimmt die andere Patientin gar nicht als Gewalteinwirkung wahr. So habe ich Frauen unter der Geburt erlebt, die sich selber mit dem Spruch motiviert haben „Was rein geht, muss auch wieder raus.“ Womit ich auf keinen Fall andeuten will, die empfindlicheren Leute mögen sich doch bitte nicht so anstellen. Menschen sind verschieden, Schwangere sind verschieden und Geburten sind es auch. Unser Ziel ist eine individuelle Geburtsbegleitung für jede Gebärende. Individuell auf allen Ebenen, auch unter Berücksichtigung der Persönlichkeit.

Leider kann Gewalt unter der Geburt theoretisch überall da auftreten, wo Geburtshilfe betrieben wird. Und ja, in der Geburtshilfe kann es natürlich immer zu Schwierigkeiten und dringenden Komplikationen kommen, die sofort behandelt werden müssen und sehr unangenehm für die Mutter sind. Es stellt sich aber immer die Frage, wie das den werdenden Eltern gegenüber kommuniziert wird.

Selbst in schwierigen Situationen kann man der Frau sagen: „Stell Dich nicht so an! Daran hättest Du denken sollen, als Du die Beine breit gemacht hast.“ Oder: „Frau Müller, wir haben dieses Problem und müssen jetzt dringend jenes tun. Auf drei: eins, zwei, drei.“ Zwischen diesen beiden Formen der Kommunikation liegen Welten, obwohl die Handlung
danach die Gleiche ist.

Die Kommunikation ist entscheidend

Ich möchte hier ganz deutlich betonen, dass es mir nicht darum geht, dass Ihr stur lebensrettende Maßnahmen verweigert, weil sie Euch nicht selbstbestimmt genug sind. Mir ist wichtig, dass meine Tipps Euch helfen, die Kommunikation, Aufklärung und Behandlung unter der Geburt
einzufordern, die Ihr braucht.

Die Geburtshilfe an sich tut den Frauen keine Gewalt an. Sie soll HELFEN. Von Gewalt unter der Geburt sprechen wir immer dann, wenn medizinisch unnötig und/oder ohne Aufklärung und/oder ohne Einverständnis und/oder respektlos und/oder unnötig grob gehandelt wird.

Gründe für Gewalt in der Geburtshilfe

Bevor wir nun zu den direkten Schutzmaßnahmen kommen können, möchte ich erklären, aus welchen Gründen es zu Gewalt unter der Geburt kommen kann. Denn diese sind in den meisten Fällen struktureller Natur, wenn auch nicht immer.

So haben wir in Deutschland leider immer weniger geburtshilfliche Abteilungen. 1991 gab es bei einer Geburtenzahl von 830 000 Kindern im Jahr genau 1186 Geburtskliniken. Heute haben wir bei einer Geburtenzahl von etwa 780 000 Kindern im Jahr genau 690 Geburtskliniken. Die Geburtenzahl ist im Vergleich zu `91 um 6% gesunken. Die Zahl der Kliniken um 40%.

In diesen verbleibenden knapp unter 700 Geburtskliniken gibt es immer schlechtere Arbeitsbedingungen für die Geburtshelfer. Sehr viele Patienten, sehr viele Überstunden, sehr wenig Personal und miserable Kommunikation unter den Mitarbeitern. Zusätzlich sind die Kliniken einem Sparzwang unterworfen, der die ganze Situation definitiv nicht besser macht.

Die Prioritäten der Klinikleitungen liegen häufig auch nicht bei den werdenden Eltern. So gibt es gewisse Qualitätsstandards in der Geburtshilfe, über die jede geburtshilfliche Abteilung einmal im
Jahr Rechenschaft ablegen muss. Zu diesen Qualitätskriterien zählen z.B. die mütterliche Sterblichkeitsrate und die kindliche Sterblichkeitsrate, die Sauerstoffversorgung des Kindes unter der Geburt und die Häufigkeit von Dammrissen dritten Grades. Das alles ist natürlich sehr wichtig, aber das Wohlbefinden der Eltern und die Gesundheit der mütterlichen Psyche zählen nicht zu diesen Qualitätskriterien.

In vielen Geburtskliniken gibt es immer noch uralte hierarchische Konzepte, die einfach nicht
durchbrochen werden können. Mit meiner Lieblingsrechtfertigung: „Das haben wir schon immer so gemacht.“

Der menschliche Faktor

Und leider, zu meinem größten Bedauern, muss ich ehrlicherweise sagen, dass es, wie in jeder anderen Berufsgruppe, auch unter Geburtshelferin schlechte Spezialisten und Arschlöcher gibt. Sowohl unter Ärzten als auch unter Hebammen. Es ist absolut nicht die breite Masse, aber es gibt sie.

Für die betroffenen Familien ist letztendlich unwichtig, aus welchen Gründen es zu Gewalterfahrungen unter der Geburt kommt. Für die betroffenen Familien ist es immer
schrecklich und lässt sich so leicht nicht ausradieren. Eine gewaltsame Geburt trägt
man lange Jahre mit sich herum. Sie kann nachweislich die Bindung zum Kind stören. Genau wie sie sich sehr negativ auf die Beziehung zum Partner/in auswirken kann. Von der weiteren Familienplanung möchte ich hier gar nicht erst anfangen.

Dass Mutter, Partner/in und Kind durch solche Erlebnisse traumatisiert werden, ist klar. Es gibt Fälle, die so krass sind, dass auch die Hebammen und Ärzte traumatisiert sind, weil sie Zeuge von etwas werden, das sie nicht aufhalten können. Auch die heulen sich dann im Lagerraum die Augen aus.

Je mehr Blickwinkel ich zu diesem Thema erfahre, desto schwerer fällt es mir, die eigene Wut darüber im Zaum zu halten. Es ist kaum zu glauben, wie emotionsgeladen Berichte gewaltsamer Geburten auch Jahre später noch sind. Daher ist es für mich ein besonders wichtiges Anliegen, effektive Schutzmaßnahmen zu vermitteln.

Wie kann ich mich effektiv vor Gewalt unter der Geburt schützen?

Es gibt vorbeugende Maßnahmen, genau wie Möglichkeiten sich akut unter der Geburt zu schützen. Ebenso es gibt Dinge, die man nach der Geburt, wenn es dann eine gewaltsame war, tun kann, um sich die Verarbeitung zu erleichtern.

  • Geh sehr sorgfältig bei der Auswahl deines Geburtsortes vor. Informier Dich ausführlichst darüber, welche Kliniken es in Deiner Umgebung gibt. Mir ist klar dass nicht jede Schwangere diese Möglichkeit hat. Es gibt Regionen, in denen man nicht wirklich eine Wahl hat. Wer aber aber wählen kann, sollte dies sehr weise tun.


Fragt bitte nicht nur danach, ob es Familienzimmer und WLAN gibt. Das ist auch wichtig aber nicht ausschlaggebend. Viel wichtiger ist es in erster Linie zu erfahren, wie viele Patienten eine Hebamme durchschnittlich pro Schicht betreut? Wie hoch ist die Kaiserschnittrate, Dammschnittrate, Einleitungsrate und dergleichen? Informationen darüber, was bei der Wahl der Geburtsklinik zu beachten ist und einen entsprechenden Fragenkatalog
an die Geburtsklinik findet Ihr hier.

  • Informiert Euch auch darüber, welche Möglichkeiten der außerklinischen Geburtsbegleitung in Eurer Umgebung vorhanden sind. Geht auch da sehr sorgfältig vor und stellt denen die richtigen Fragen. Einen Beitrag darüber, was es bei der Wahl einer außerklinischen Geburtsbegleitung zu beachten gibt und die entsprechenden Fragen dazu findet ihr hier.

  • Gewinnt eine Vorstellung darüber, wie Geburten ablaufen.

Damit meine ich nicht „Hört Euch so viele schlimme Geburtsberichte wie möglich an“. Auf keinen Fall! Tut das nicht. Das bringt Euch in dieser Situation absolut gar nichts. Macht Euch aber ein realistisches Bild über die Geburt als biologischen Prozess. Was passiert? Wie lange dauert es? Wie schaut es ungefähr aus? Macht Euch ein Bild darüber, zu welchen Komplikationen es kommen kann und was dann gemacht wird. Niemand verlangt von Euch in der Schwangerschaft Hebammenwissenschaften zu studieren, damit Ihr Euch am besten selber einbindet. Es ist aber enorm hilfreich zu wissen, was ungefähr auf einen zukommen wird. Besucht einen Geburtsvorbereitungskurs und schaut, ob es nicht Literatur gibt, die Ihr spannend findet.

Macht Euch mit Euren Rechten vertraut

  • Macht Euch vor der Geburt bewusst, dass jede Maßnahme, die an Euch durchgeführt wird, der Aufklärung und Eures Einverständnisses bedarf.

Nach dem deutschen Patientenrechtsgesetz dürfen selbst Blutentnahmen und CTG`s nur an Euch durchgeführt werden, wenn Ihr wisst, was passiert und wenn Ihr damit einverstanden seid. Es gibt in der Geburtshilfe eine einzige Situation, in der man sich über den Willen der Mutter als Patientin hinwegsetzen kann. Nur dann, wenn das Kind in Lebensgefahr schwebt. Wenn es akut um Leben und Tod des Kindes geht, sonst nicht. Es ist wichtig, dass Ihr das wisst. Es ist wichtig, dass Euch klar ist- Ihr seid dem Ganzen nicht ausgeliefert.

  • Sorgt für Beistand.

Sprecht mit Eurem Partner/in darüber, was Ihr Euch für die Geburt wünscht und was gar nicht geht. Fragt an Eurem geplanten Geburtsort explizit nach, welche Punkte von Eurer Wunschliste umsetzbar sind. Überlegt, ob Ihr nicht eine Doula mit ins Boot holt. Sie kann helfen unter der Geburt Eure Interessen zu vertreten, wenn Ihr selber gerade nicht könnt.

Mir ist klar, dass dieser Tipp vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie schwierig umzusetzen ist. Wir haben Oktober 2020. Alle Welt spricht von steigenden Infektionszahlen und es ist jetzt erst einmal überhaupt nicht klar, inwieweit Begleitpersonen im Winter zur Geburt zugelassen sein werden. Trotzdem möchte ich diesen Punkt erwähnen. Irgendwann ist die Pandemie hoffentlich vorbei und spätestens dann ist die Doula wieder aktuell.

Unmittelbar bei der Geburt

Unter der Geburt wird es natürlich hochinteressant. Für eine gelungene Geburt müssen zwei, scheinbar vollkommen gegensätzliche, Dinge aufeinandertreffen- es ist größtmögliche Entspannung und ein Loslassen der Kontrolle nötig, bei gleichzeitig höchster Konzentration
und höchster Anstrengung.

Mir ist bewusst, dass die kommenden Tipps unter Wehen sehr viel verlangt sind. Daher möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass Ihr Euren Geburtshelfern erstmal natürlich vertrauen dürft. Ihr dürft im wahrsten Sinne guter Hoffnung in diese Geburt hineingehen. Ihr sollt den vertrauen. Es bringt niemandem etwas von Anfang an, noch bevor Probleme auftreten,
auf Krawall gebürstet zu sein. Am wenigsten Euch. Wenn Ihr aber merkt, es wird unangenehm (damit meine ich nicht die Wehen selbst, sondern die Aufklärung, die Betreuung und das Miteinander mit Euren Geburtshelfern), dann sagt was.

  • Mit einer korrekten, rechtzeitig ausgesprochenen Warnung an den unangenehmen Geburtshelfer lassen sich die meisten Probleme bereits im Keim ersticken. Dafür müsst Ihr nicht einmal garstig werden oder jemandem an die Gurgel gehen. Ihr könnt elegant bleiben, aber sagt was!

Bei einem respektlosen Ton Euch gegenüber sagt Ihr von vornherein: „Ich möchte bitte, dass Sie sich solche Sprüche verkneifen. Ich empfinde Ihren Ton als unangemessen. Bitte bleiben Sie professionell.“

Wenn irgendwelche Untersuchungen laufen und Euch werden die Ergebnisse vorenthalten, sagt Ihr: „Ich wüsste auch gerne, was Sache ist. Bitte klären Sie mich auf.“

Wenn Ihr allein gelassen werdet und gefühlt stundenlang zu zweit, vollkommen
verunsichert in eurem Kreißsaal hocken müsst, sagt Ihr: „Ich fühle mich nicht sicher. Ich brauche Unterstützung. Bitte bleiben Sie bei mir.“

Wenn Ihr unangenehm angefasst werdet oder wenn Euch Präparate
verabreicht werden sollen, die Ihr nicht kennt, dann fragt Ihr: „Müssen wir das jetzt wirklich tun?Warum müssen wir das jetzt wirklich tun? Welche Alternativen haben wir?“

Dunkle Realität einiger Kliniken

Wenn Ihr nachfragt, bis Ihr tatsächlich alles verstanden habt. Wenn Ihr Euch nicht abwürgen lasst und wenn Ihr Euren Standpunkt klar artikulieren könnt, zeigt das Euren Geburtshelfern- das ist eine mündige Patientin. Mit der kann ich nicht willkürlich umgehen. Woher dieser Tipp stammt? Aus meiner Berufserfahrung in drei verschiedenen Kreißsälen. In JEDEM der Häuser, in denen ich tätig war, wurde bei der Übergabe gewarnt, wenn es sich bei der Patientin um eine Ärztin oder Juristin handelte. „Pass bei der auf, die ist Anwältin!“ Ich kriege nach wie vor Schnappatmung bei dem Gedanken! Als wären es Geburten von Frisörinnen, Lehrerinnen oder Kassiererinnen weniger wert, gewaltfrei zu verlaufen. Als dürfe bei jeder anderen Frau auch mal „nicht aufgepasst“ werden…

Fairerweise muss ich aber auch sagen, dass gesunder Menschenverstand seitens der Patienten ebenfalls von großem Vorteil ist. Wenn in einem Kreißsaal viel los ist und Ihr Euch alleingelassen fühlt, Ihr das äußert und die Hebamme Euch sagt: „Nebenan laufen zwei Geburten. Sobald ich fertig bin, bin ich gleich bei Euch. Hier habt Ihr die Klingel. Wenn was ist, klingelt und die Ärztin kommt gelaufen.“ Dann ist es eine Sache. Viel los, aber Ihr werdet ernst genommen.

Es hilft wenn auch die Patienten fair bleiben

Wenn in einem Kreißsaal viel los ist und Ihr klingelt, weil euer Teller vom Mittagessen noch nicht weggeräumt wurde, ist das auch ein bisschen unfair.

Wenn Eure höfliche, aber bestimmte Forderung ignoriert wird, wenn Ihr also trotzdem, obwohl Ihr Euch dagegen ausgesprochen habt, weiterhin respektlos behandelt, nicht aufgeklärt, ohne triftigen Grund alleingelassen oder unangenehm angefasst werdet, macht Ihr folgendes.

  • Ihr sagt: „Dann möchte ich, dass Sie das so dokumentieren. Jetzt gleich. Ich frage nach dem Präparat und sie sagen mir nicht, was das ist.“ Oder: „Dann möchte ich, dass Sie das so dokumentieren. Patientin fühlt sich verängstigt und bittet um Anwesenheit, wird aber abgewürgt.“ Oder was auch immer für ein Problem gerade besteht.

Sollte selbst der Punkt mit der Dokumentation nicht dazu führen, dass Eure
Geburtshelfer sich zusammenreißen, habt Ihr folgende Möglichkeit.

  • Ihr holt einen Notizblock und einen Stift aus der Kliniktasche oder nehmt Euer Handy und fangt selbstständig an, diese Geburt zu dokumentieren.

Notiert die Namen Eurer Hebammen und Ärzte. Auffällig, damit die wissen, jemand führt Buch. Haltet akribisch genau fest: Wer war bei Euch? Um wieviel Uhr genau? Was wurde gemacht? Wer hat was gesagt? Macht Fotos vom CTG, verlangt Einsicht in Eure Patientenakte und fotografiert diese ab. Die Klinik kann Euch das nicht verweigern. Die Patientenakte ist Patienteneigentum. Ihr habt definitiv Anspruch auf Einsicht.

Gesunder Menschenverstand

Ich warne vor, diese Maßnahmen sind aus Sicht der Klinik schon sehr harte Geschütze. Sie sind beinahe schon mit Notwehr vergleichbar. Es ist daher nicht sinnvoll, mit diesen Tipps ganz am Anfang loszulegen, wenn Euch die Hebamme nicht freundlich genug zugelächelt hat. Die letzten beiden Maßnahmen sind nichts für Kleinigkeiten. Sie sind nur dann anzuwenden, wenn Du Dich als Gebärende nicht sicher bzw. wirklich bedroht fühlst.

Wenn dieses demonstrative dokumentieren der Geburt nichts bringt, bin ich ehrlich, wüsste ich auch nicht mehr weiter. Ich wüsste nicht, was das für ein empathieloser Eisklotz ist, der da vor Dir steht.

Nach der Geburt

Wenn man eine gewaltsame Geburt erlebt hat, möchte ich als allererstes sagen:
Du bist nicht allein mit der Situation.
Nichts davon ist deine Schuld.

Für diesen Fall hätte ich zwei Empfehlungen.

  • Erstens, schreibt zeitnah ein Gedächtnisprotokoll, in dem Du akribisch notierst, was wann passiert ist.
  • Zweitens, hol dir Hilfe. Solche Erfahrungen lassen sich aufarbeiten. Nicht auslöschen aber aufarbeiten. Es ist möglich emotional seinen Frieden damit zu finden. Ebenso ist es möglich juristisch dagegen vorzugehen. Es gibt viele Betroffene und es gibt viele Hilfsangebote.

Das muss kein Tabuthema bleiben.

Langfristig, aus gesellschaftlicher Sicht betrachtet, denke ich, dass sich dieses
Problem nur dadurch ändern lassen wird, wenn die Arbeitsbedingungen in der
Geburtshilfe auf Dauer verbessert werden. Diese Verbesserungen werden allerdings nur dann eintreten, wenn wir sie als Gesellschaft einfordern. Werdet aktiv, engagiert Euch. Nehmt an Initiativen, Kundgebungen und Studien teil.

Wer jetzt denkt, das bringt nichts, dem widerspreche ich vehement!

Bis 1919 durften Frauen in Deutschland nicht wählen. Bis 1958 durften Frauen in Deutschland
kein eigenes Bankkonto eröffnen. Bis in die 1970er Jahre hinein durften in Deutschland Väter nicht mit zur Geburt in den Kreißsaal kommen.

Jetzt schon. Frauenbewegung macht’s möglich. Ich denke, wir sind alle ein
bisschen stärker, als wir denken. Und ich denke, wir haben alle ein bisschen mehr Einfluß, als wir denken. Wir müssen uns das nur regelmäßig bewusst machen.

Beitragsbild von Nino Carè auf Pixabay