Die zweite Corona-Welle ist so was von da. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen, mit steigenden Infektionszahlen und dem bevorstehenden Winter können wir nicht ausschließen, dass es in den kommenden Monaten erneut dazu kommen kann, dass in einigen Geburtskliniken Geburten ohne Begleitpersonen stattfinden werden. Es ist nicht auszuschließen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Schlimmer noch, es gibt bereits erste Beispiele für Corona-Auswirkungen auf die Geburtshilfe. Im bayerischen Schongau gibt es ein Krankenhaus, in dem sich mindestens 38 Mitarbeiter und ein ganzer Haufen Patienten mit Corona infiziert haben. Mit dem Ergebnis, dass sich 600 Mitarbeiter des gesamten Hauses in Quarantäne befinden. Die gesamte Klinik ist lahmgelegt.

Für den Kreißsaal des Hauses bedeutet das, dass dort zur Zeit grundsätzlich keine Geburten betreut werden. Wörtlich auf deren Webseite steht: “Bei einer bevorstehenden Geburt wenden Sie sich an die beiden anderen Krankenhäuser der Gegend.”

Dies löst insbesondere bei Familien, die das zweite oder dritte Kind erwarten, große Verunsicherung aus. Sie fürchten es einfach nicht rechtzeitig in die Klinik zu schaffen.

Bitte prüft , wie es um Euren Geburtsort steht

Bevor ich also irgendetwas anderes erzähle, möchte ich Euch ganz nah ans Herz legen, dass Ihr bitte prüft, wie genau die Besuchs- und Begleitregelungen an Euren Geburtsorten ausschauen. Gerne zeitnah zum Stichtag und gerne mehrfach, denn gerade in Umbruchzeiten kann es sein, dass sich Regelungen alle Paar Tage ändern.

Auch wenn diese Entwicklung keine große Überraschung ist, ist sie für viele werdende Eltern sehr frustrierend, um das mal adäquat zu formulieren.

Ich habe im Spätsommer ein paar Geburtsvorbereitungskurse in persönlicher Anwesenheit führen dürfen. Meine Beobachtung ist, dass die Befürchtung die Geburt alleine bewältigen zu müssen, bei allen Schwangeren da ist. Bei der Einen mehr, bei der Anderen weniger, aber die Sorge ist natürlich bei allen da. 

Und als wäre das alles nicht schon fies genug, hören Schwangere leider viel zu oft: “Stellt euch nicht so an! Wir in den 70ern haben alle allein unsere Kinder gekriegt.”

Oder: “Es gibt Länder, in denen dürfen die Männer prinzipiell nicht zur Geburt. Und die Mütter dort schaffen es ja auch irgendwie.”.

Diese Ratschläge mögen gut gemeint sein, helfen vielen Schwangeren aber nicht weiter. Im Gegenteil, sie haben ein bisschen was abwertendes. So als wäre der Wunsch nach Beistand von einer geliebten Person unter der Geburt ein Zeichen von Schwäche.

Sich Unterstützung zu wünschen, macht Dich nicht schwach

Für unsere Generation ist es grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit, mit einer Begleitperson entbinden zu dürfen. Denn wir Leben nunmal 2020 und nicht 1968. Und wir leben in Deutschland und nicht anderswo.

Das Körnchen Wahrheit, das hinter diesen Sprüchen steckt, ist aber das Frauen durchaus in der Lage sind, Geburten auch alleine zu bewältigen. Sehr gut sogar. Das sich werdende Mütter Beistand wünschen ändert nix an der Tatsache, dass sie es auch ohne Begleitperson draufhaben.

Fairerweise muss ich aber auch sagen, dass es auch in unserer Zeit unabhängig von einer Pandemie immer wieder Fälle gibt, bei denen Begleitpersonen es nicht schaffen zur Geburt dazu zu kommen. Sei es, weil der Partner oder Partnerin krank geworden ist oder sich keine Kinderbetreuung für die größeren Geschwisterkinder finden konnte. Oder der Verkehr ist ganz schlimm und die Begleitperson steckt im Stau fest. Es gibt auch Frauen, die sich ganz bewusst dazu entscheiden, eine Geburt ohne Begleitperson zu erleben. Pandemie hin oder her, ihr wärt also nicht allein mit der Situation. 

Das stellenweise auch in Kreißsälen wieder strengere Regeln gelten werden, ist wahrscheinlich nicht zu verhindern. Wie jeder andere Mensch habe auch ich eine Meinung dazu. Jedoch Ist meine Meinung gespalten, denn ich kann natürlich verstehen, wie schlimm das für die werdenden Eltern ist. 

Es wird auch Kliniken geben, die keine Risiken eingehen wollen

Ich kann aber auch die andere Seite verstehen. Ich habe im Frühjahr verfolgt, wie ungünstig sich die Situation im Kreißsaal des Klinikums links der Weser in Bremen entwickelte, als ein unwissentlich Corona-positiver Begleitvater bei der Geburt drei Mitarbeiter infizierte.

Ich kann wirklich auch nachvollziehen, dass es Kliniken gibt, die ihre Teams keinem unnötigen Risiko aussetzen wollen, weil sie sonst riskieren die gesamte Abteilung zu schließen, wie jetzt in Schongau. Meine Meinung ist, Begleit Regeln zur Geburt sind ein komplexes Problem. Zu komplex, um nur dafür oder nur dagegen zu sein. Leider ist meine Meinung aber insofern unwichtig, weil sie sich mit Sicherheit nicht auf das Vorgehen an eurem geplanten Geburtsort auswirken wird.

Was ich für Euch tun kann, ist etwas Motivation in diese ganze Sache zu bringen. Denn so hilfreich eine Begleitperson bei der Geburt sein kann, und ich will nicht abstreiten, dass sie emotional einen enormen Beistand darstellt, ist sie doch nicht der einzige, entscheidende Faktor.

Auch die beste Begleitperson wird Dir als werdende Mutter nicht die Wehen, die Anstrengung oder die Geburt selbst abnehmen können. Die Hand halten, unterstützen und Dir eine starke Schulter hinhalten, das durchaus. Aber die Geburt an sich ist ein Weg, den jede Frau selber gehen muss. Auch auf die Gefahr hin, dass sich das hart anhört: Du bist Die, die das Kind schaukeln wird! Du besitzt alle nötigen Ressourcen für die Geburt Deines Kindes, ob der/die Partner/in nun physisch an deiner Seite sitzt oder nicht.

Dein Baby braucht Dich

Weiterhin gibt es noch einen Punkt, der den Blickwinkel ändern kann. Du bist nicht allein. Du hast dein Baby im Bauch. Ihr beide, Du und Dein Kind, ihr wuppt das.

Dieser Gedanke, gibt vielen Frauen Kraft, weil Sie wissen, Sie müssen jetzt stark für ihr Kind sein, anstatt sich ausschließlich darauf zu fokussieren, dass der/die Partner/in nicht dabei sein darf. Sollte der/die Partner/in wirklich vor der Tür bleiben müssen, wäre das sehr ärgerlich, gemein, traurig und würde erstmal für Verzweiflung sorgen. Es würde aber nichts daran ändern, dass das Kind ja trotzdem geboren werden muss. Dafür braucht es eine starke Mama.

Außerdem ist physische Anwesenheit einer Begleitperson nicht die einzige Möglichkeit der Unterstützung. Man hat immer noch die Möglichkeit, digital zusammen zu bleiben, über Skype, Zoom, WhatsApp oder ähnliches. Prüft wie der Internet Empfang an Eurem Geburtsort ist und ob Ihr vielleicht für den Monat Eure Kapazitäten auf dem Smartphone erhöht. 

Schaut, welche Optionen sich sonst noch ergeben können

In dem kleinen Krankenhaus, in dem ich arbeite, sitzt der Kreißsaal im zweiten Obergeschoss. Wenn die Partner/innen ihre Frauen im Krankenhaus abliefern, patrouillieren sie unten vor den Fenstern, während die Frauen in ihren Zimmern am Fenster stehen. Sie haben Sichtkontakt und hängen alle am Telefon, sind auf Abstand und doch irgendwie beisammen, bevor der/die Partner/in ab 3-4cm Muttermundsweite in den Kreißsaal hoch darf.

Es gibt die Möglichkeit sich im Vorfeld zusammen vorzubereiten. Viele Paare machen eine Playlist zusammen, hören sie sich an und sorgen dafür, dass die Frau so viele positive Emotionen, wie es geht mit der Musik verbindet. Sie kann davon zehren, sollte es dazu kommen, dass der/die Partner/in nicht mit zur Geburt darf.

Es gibt Mädels, die haben sich im Frühjahr ein T-Shirt oder das Kissen des/der Partners/in mit in den Kreißsaal genommen und unter den Wehen da reingebrüllt und daran gerochen. Auch wenn sich das komisch anhören mag, reagiert unser Nervensystem nunmal sehr stark auf Gerüche. Das kann sehr tröstlich sein. 

Natürlich befinden wir uns zur Zeit nicht in der optimalen Situation. Keine Frage. Ich habt recht, wenn ihr wütend, aufgebracht und besorgt seid. 

Worauf ich hinaus will, ist dass ihr trotz allem stärker seid, als ihr denkt. Wirklich!

Natürlich ist es für den Partner ein riesen Kompliment, wenn eine Frau nach einer Geburt sagt, “Ohne ihn hätte ich das nicht geschafft.” 

Aber ganz so ist es nicht. Du bist stärker als Du denkst und Du schaffst das.