August 2020 in Deutschland. Corona ist leider, nach wie vor, ein stetiger Begleiter unseres Alltags. Was bedeutet das für bevorstehende Geburten und worauf müssen sich werdende Eltern einstellen?

Vorab sei gesagt, dass meine Angaben recht allgemein gehalten sind. Es kann durchaus in verschiedenen Teilen Deutschlands lokale Abweichungen geben. Das bedeutet für Euch, überprüft die für Euch relevanten Themen auf jeden Fall individuell in Euren Kliniken und Praxen.

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Die guten Nachrichten

Fangen wir mit den guten Nachrichten an: In sämtlichen Kreißsälen Deutschlands ist der Partner bzw. eine GESUNDE Begleitperson zur Geburt zugelassen.

Ja, sie müsste einen Mundschutz tragen und ja, sie darf nicht im Krankenhaus umher spazieren, sondern soll bitte in dem Raum bleiben, der Euch zugewiesen wurde. Vielleicht darf sie auch erst ab einem bestimmten Zeitpunkt dazukommen.

Aber die Begleitperson darf mit.

Das ist doch schon mal immerhin etwas.

Klar ist auch, dass viruspositive Frauen definitiv mit Mundschutz und isoliert in ihrem Kreißsaal, betreut von Geburtshelfern in voller Schutzausrüstung gebären werden.

Je nach Zustand derPatientin ist dennoch eine normale Entbindung angestrebt. Auch eine PDA ist machbar. Nach der Geburt ist, auch bei viruspositivem Status, das Auspulsieren der Nabelschnur, Bonding und Stillen unter Beachtung der richtigen Hände- und Oberflächenhygiene und dem Tragen eines Mundschutzes durchaus möglich.

Die weniger guten Nachrichten

Mitte Juli gab es von den öffentlich-rechtlichen einen Bericht aus Frankreich, über eine Fallstudie, bei der methodisch einwandfrei nachgewiesen wurde, dass eine Covid-19 erkrankte Mutter ihr Kind bereits im Mutterleib mit dem Virus angesteckt hat.

Es kann also passieren.

Dennoch gibt es keinen Grund zur Panik. Zum einen, weil für Schwangere nach wie vor kein höheres Ansteckungsrisiko, im Vergleich zu allen anderen, besteht. Zum anderen geht auch aus dieser Fallstudie in Frankreich hervor, dass eine Übertragung stattfinden KANN aber NICHT MUSS!

Das sog. Corona- Schwangerschaftsregister, welches von der deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) unterhalten wird, listet zum 16.07.2020 genau 137 viruspositive Schwangere. 88 haben zu diesem Zeitpunkt bereits entbunden und nur bei 5 Neugeborenen wurde das Coronavirus nachgewiesen. Laut Mario Rüdiger, Leiter der Neonatologie im Uni- Klinikum Dresden und Vorstandsmitglied der DGPM, waren diese 5 Babys „nicht schwer erkrankt“.

Auch das Baby aus Frankreich erholte sich innerhalb von drei Wochen von seiner Infektion.

Das alles bedeutet für Euch: passt nach wie vor auf Euch auf, haltet Euch an die mittlerweile routinemäßigen Maßnahmen zu Infektionsvermeidung und versucht trotz allem Eure Schwangerschaft zu genießen. Pandemie hin oder her, dieses Kind wird nur einmal ausgetragen! Ich weiß, es ist nicht leicht aber versucht positiv zu bleiben. Esst ein Eis und genießt die Sonne.

Schutzmaßnahmen im Kreißsaal

Worauf müssen sich werdende Eltern einstellen, bei denen der Infektionsstatus unbekannt ist? Also im Prinzip alle, die kein aktuelles Abstrichergebniss vorliegen haben. Da, viruspositive Schwangere in 89% der Fälle einen asymptomatischen Verlauf haben, gibt es zur Zeit in ALLEN Geburtskliniken und Geburtshäusern Deutschlands gewisse Beschränkungen. Welche genau muss, wie gesagt, lokal erfragt werden. Der günstigste Zeitpunkt wäre das Anmeldegespräch an Eurem Geburtsort.

Wenn man zur Entbindung kommt, wird man mit höchster Wahrscheinlichkeit einen Fragebogen mit den Standartfragen ausfüllen müssen. Waren Sie in den letzten zwei Wochen in Risiko-Gebieten oder hatten Sie Kontakt zu nachweislich infizierten Personen usw.?

Eine GESUNDE Begleitperson ist zulässig. Diese ist nicht austauschbar, darf sich also nicht mit einer anderen Person abwechseln. Das könnte eben leider bedeuten, dass man sich entscheiden müsste zwischen dem Partner*in oder einer Doula, sofern sie zur Geburt gewünscht war. Ebenso muss die Begleitperson Mundschutz tragen, Hände desinfizieren und sich nur in den Euch zugewiesenen Räumlichkeiten bewegen. Also mal eben in die Kantine flitzen, ist nicht erlaubt.

Weiterhin ist vielerorts in Deutschland der Einsatz von Lachgas zur Zeit nicht möglich. Grund hierfür ist die Angst vor Aerosol- Bildungen.

Vielerorts ist leider auch eine Wassergeburt zur Zeit nicht möglich. Denn bei Corona-positiven Patienten ist das Virus auch im Stuhl nachweisbar. Wir alle wissen, im Rahmen der vaginalen Geburt kann es zu einer unwillkürlichen Darmentleerung seitens der Patientin kommen, was an sich erstmal nicht dramatisch ist, wenn die Mama gesund ist.

Wenn die Darmentleerung allerdings in der Wanne passiert, wird der potenziell infektiöse Darminhalt der Mutter sehr viel stärker im Wasser verteilt, als es „an Land“ möglich wäre und erhöht somit die Infektionsgefahr beim Kind.

Maskenpflicht

Die fieseste Beschränkung für die Geburt ist, in meinen Augen, allerdings das Tragen eines Mundschutzes während der Geburtsarbeit, den Eröffnungs- und Geburtswehen.

Man muss dazu sagen, offiziell lautet die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) :

Bei unklarem SARS-CoV-2 Status ist unter Geburt das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes
(MNS) durch die Patientin zu diskutieren, bei positivem Status zu empfehlen, um das
geburtshilfliche Personal v.a. in der aktiven Austreibungsperiode zu schützen.

Aktualisierte Empfehlung SARS-CoV-2/ Stand 30.06.2020

Das heißt, wenn man freundlich fragt, sich auf die Empfehlung der DGGG beruft und darauf hinweist, dass das Personal ja durch die eigenen Masken geschützt ist, kann es sein, dass man Euch entgegenkommt.

Wenn sich Eure Geburtshelfer jetzt partout nicht auf „Gebärende ohne Maske“ einlassen sollten, gibt es einen Tipp: viele Frauen, die diesen Sommer entbunden haben, sagen dass eine medizinische Maske aus diesem speziellen Papier sehr viel erträglicher bei der Geburtsarbeit ist, als Stoffmasken.

Wenn du also eine Maske tragen musst, kannst du zumindest fragen, ob du so eine Papiermaske bekommen kannst.

Abstrich für planbare Geburten

Das gemeine an Geburten in unserer aktuellen Situation ist ihre Unvorhersehbarkeit. Das ist bei Geburten grundsätzlich nichts Neues. Nur ist es eben in der aktuellen Situation schwierig Vorkehrungen zu treffen, um sich diese ganzen Beschränkungen zu ersparen.

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfiehlt nämlich für alle planbaren Geburten, also geplante Einleitungen oder Kaiserschnitte einen gezietlen Corona Abstrich bei der Schwangeren durchzuführen und ihr u.U., abhängig vom Ergebnis, die Beschränkungen zu ersparen.

Analog den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Visceralchirurgie
(48) sollte unter Berücksichtigung der jeweiligen epidemiologischen Lage eine SARS-CoV-2
Testung vor elektiven Eingriffen, wie z. B. einer geplanten Kaiserschnittentbindungen,
Cerclage oder Geburtseinleitung erfolgen. Das Resultat soll vor Aufnahme vorliegen.

Aktualisierte Empfehlungen SARS-CoV-2/ Stand 30.06.2020

Wenn es also irgendwie möglich ist, zum Beispiel, wenn Du einen Blasensprung und noch keine Wehen hast, könnte man in der Klinik fragen, ob ein Abstrich noch machbar wäre, bzw., wie schnell man das Ergebnis hätte.

Das mag sich jetzt utopisch anhören. Aber wenn die DGGG selber schon den Impuls hat, kann man ja in der eigenen Klinik mal anfragen, wie der prophylaktische Abstrich dort gehandhabt wird.

Schutzmaßnahmen auf der Wochenstation

Für den Aufenthalt auf der Wochenbettstation gelten auch strikte Besuchseinschränkungen. Meist ist nur eine, immer die gleiche Person (idealerweise die Begleitperson von der Geburt) für ein bestimmtes Zeitfenster im Laufe des Tages zugelassen. Keine Omas, Opas und Geschwisterkinder.

Fühlt Euch gedrückt und bleibt stark

Es ist zur Zeit schwierig, man kann es nicht anders ausdrücken.

Beronders für die Geburten, weil sie so emotional sind, weil sie im Kopf so präsent sind.

Vorsorgen und Ultraschall-Untersuchungen, kann man auf dem Handy aufnehmen und dem Partner zeigen, wenn er nicht mit zum Gynäkologen darf. Aber eine Geburt ohne Partner*in können sich viele Frauen gar nicht vorstellen.

Sehr hart ist die Situation auch für Schwangere mit Komplikationen, die wochenlang auf Station liegen und nicht aufstehen dürfen. Ohne Besuch, ohne emotionalen Beistand, dafür aber mit einer miserablen Internetverbindung.

Extrem hart haben es Familien von Frühchen oder Babys mit Herzfehlern zum Beispiel. Familien von Säuglingen, bei denen klar ist, dass sie mehrere Wochen auf einer Neonatologie verbringen müssen. Dort sind die Hygienevorschriften teilweise so streng, dass nur die Mutter vorbeikommen darf, einmal am Tag für eine Stunde, um abgepumpte Muttermilch vorbeizubringen.

Fazit

Ich bin die absolut letze Person, die sagt : „Stellt Euch alle nicht so an, ist alles halb so schlimm!“ Natürlich ist mir klar, wie nervenaufreibend eine Schwangerschaft in 2020 sein kann, wie viel Unbeschwertheit fehlt.

Nun stecken wir aber leider Gottes in der Pandemie. So schnell verschwindet die auch nicht. Ich versuche nicht Euch Euren Ärger und Eure Sorgen abzusprechen.

Ich möchte wirklich nur hilfreich sein und etwas Positives an der Situation erkennen. Denn eigentlich geht es ja um etwas Schönes.

Erstens habt ihr bald endlich Euer Baby im Arm. Das ist an und für sich, unabhängig von den Umständen, eine feine Sache.

Zweitens kann man versuchen, wenn es irgenwie möglich ist, ein paar positive Vibes in die Sache zu bringen.

Neulich hat mir eine Kollegin erzählt, was die Familie einer frischgebackenen dreifach-Mama sich ausgedacht hat, um Mama und Baby eine Freude zu machen. Die Geschwisterkinder durften nicht auf Station, wollten aber trotzdem Mama und Baby besuchen.

Die Familie ist, natürlich nach vorheriger Absprache, um das Krankenhaus herum, in den Patientengarten gegangen. Unter der Fensterfront der Mutter-Kind-Station wurde von Großeltern, Papa und den beiden Großen „mit Mama“ ein kleines Picknick veranstaltet. Mit viel Herzblut und Lachen, einem selbstgebastelten Plakat und Begrüßungslied für das neue Geschwisterchen.

Das war wirklich ein Highlight. Die gesamte Station stand da, alle Muttis, Schwestern und Ärzte vor ihren Zimmerfenstern und freuten sich und hatten Pipi in den Augen, weil es auch so schöne Momente geben kann.

Ein Picknick wird nicht immer und nicht überall gehen. Aber vielleicht geht etwas anderes. Mindestens genau so schön und mindestens genau so unvergesslich.