Der aufregende Moment, wenn du auf einen Schwangerschaftstest pullerst und gespannt beobachtest, wie viele Streifen im Anzeigefenster sichtbar werden. Diesen Augenblick kennen heutzutage die allermeisten Frauen in den Industrienationen wenn Sie bei sich eine Schwangerschaft vermuten. Allerdings war das auch mal anders.

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Pee like an Egyptian

Bevor Frauen auf Teststreifen pinkelten, pinkelten sie auf eine Menge anderer Dinge. Der Wunsch, so früh wie möglich über eine Schwangerschaft Bescheid zu wissen, ist nicht erst bei uns aufgetaucht, sondern vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. 

Der erste bekannte Schwangerschaftstest stammt aus etwa 1350 vor Chr. von altägyptischen Papyrusrollen. Zur Feststellung einer Schwangerschaft sollte die Frau auf Weizen- und Gerstenkörner pullern. Je nachdem, welches Getreide zuerst keimte, war nicht nur klar, dass sie schwanger war, sondern auch, ob ein Sohn oder eine Tochter erwartet wurde. Keimte nix, war die Frau auch nicht schwanger. 

Kindsbewegungen

Die Sache war die: Es gab einfach keine anderen Möglichkeiten zur Feststellung einer Schwangerschaft. Man hatte eine recht vage Vermutung, dass das Ausbleiben der Menstruation etwas mit der Fortpflanzung zu tun hatte. Man wusste auch, dass bei schwangeren Frauen ungewöhnliche Essgelüste auftreten können. Bis auf klar spürbare Kindsbewegungen, etwa ab dem vierten bis fünften Schwangerschaftsmonat, war eine Schwangerschaft allerdings trotzdem eine eher mysteriöse Angelegenheit. 

Entsprechend zieht sich die Sache mit dem Urin auch nach den Ägyptern durch die gesamte Geschichte der Medizin. Ähnliche Anweisungen findet man in der antiken griechisch- römischen Medizin, in den Schriften islamischer mittelalterlicher Ärzte und irgendwann auch in westlichen historischen medizinischen Quellen. 

Piss-Propheten

Bei keimendem Getreide blieb es aber nicht. Sogenannte Piss- Propheten veranstalteten die interessantesten Dinge mit Urin, um Schwangerschaften festzustellen. Und nein, das ist keine Beleidigung. Das war im christlich-europäischen Raum bis in die Neuzeit hinein eine tatsächliche Berufsbezeichnung für Leute, die durch Harnuntersuchungen, Krankheiten oder eben auch Schwangerschaften feststellen wollten.

Der Urin wurde mit Wein, Essig oder anderen, oft nicht näher genannten Substanzen, verrührt, um zu sehen, ob das Zeug irgendwie schwanger reagiert. Mein persönlicher Favorit ist: man nehme ein Läppchen Wolle, tränke es im Urin der neugierigen Frau, trockne und verbrenne das Läppchen. Wenn die Frau vom Brandgeruch Brechreiz bekam, war sie guter Hoffnung. Sehr beliebt waren auch Tests, bei denen die Frau irgendetwas bestimmtes essen oder trinken sollte, vorzugsweise zu einer klar festgelegten Tages-, Nacht- oder Mondzeit, und anhand ihrer Reaktion wurde dann eine oder keine Schwangerschaft abgelesen. 

Dunkles Mittelalter

Dabei war Klarheit über die “anderen Umstände” manchmal im wahrsten Sinne lebensnotwendig. Im Mittelalter wurde eine Schwangerschaft als Krankheit, Schwangere als besonders gefährdet wahrgenommen. Wenn das für Frauen aus höheren sozialen Schichten bedeutete, dass sie sich zu schonen hatten, auf bestimmte Lebensmittel verzichten sollten und vom Fastengebot befreit waren, galt für Schwangere aus schlechteren Verhältnissen lediglich der Vorteil, dass potentielle Ächtung, Folter und Hinrichtung bei Problemen mit dem Gesetz nach weltlichem Recht bis zur Geburt aufgeschoben werden mussten. Auch bei Erbfolge Angelegenheiten spielten Schwangerschaften keine unwichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund ist es nur verständlich, dass das Interesse an der Feststellung einer Schwangerschaft zu jedem Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte vorhanden war.

Erstaunlich

Das alles mutet aus heutiger Sicht natürlich recht makaber an. Allerdings hatten die ja alle nicht ganz unrecht mit dem Pipi, zumindest was den ursprünglichen Getreide Test angeht. 1963 haben amerikanische Wissenschaftler diesen Test nachgestellt und siehe da: Goss man Gerste und Weizen mit dem Urin von Männern oder nicht schwangeren Frauen, keimte nix. Stammte der Urin von schwangeren Frauen, keimte das Getreide in stolzen 70% der Fälle. Auch wenn sich das Geschlecht des Kindes dadurch nicht vorhersagen ließ, wie die Ägypter ursprünglich dachten, waren sie ja trotzdem auf dem richtigen Weg.

Wissenschaft machts´möglich

Diese ganze Ungewissheit im Zusammenhang mit Schwangerschaftsfeststellungen begann sich erst Anfang des 19.Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Hormonforschung zu klären. 1920 wurde das hCG, das humane Choriongonadotropin entdeckt. Dieses Hormon ist für den Erhalt einer Schwangerschaft mitverantwortlich. Da es bereits ab dem fünften Tag nach Befruchtung der Eizelle gebildet wird, kann es sehr gut zur frühen Feststellung einer Schwangerschaft genutzt werden.

1927 entwickelten Selmar Aschheim und Bernhard Zondek an der Charité in Berlin die sogenannte Aschheim-Zondek-Reaktion. Dabei ließ sich das hCG im weiblichen Urin mithilfe von Mäusen nachweisen. Und jetzt wird es grausam: Der morgendliche Urin wurde jungen weiblichen Mäusen gespritzt. War die Frau schwanger, führte diese Injektion bei der Maus innerhalb von 48 Stunden zum Eisprung. Der Mäuse- Uterus vergrößerte sich. Nur, um das zu überprüfen, musste die Maus dran glauben und seziert werden. Eine ähnliche Methode wurde in den damaligen USA mit Kaninchen durchgeführt. So oft, dass der Ausdruck “The Rabbit died” zum Sprichwort für eine Schwangerschaft wurde. 

Froschkönig

Ein ganz kleines bisschen tierfreundlicher kam ein Herr Lancelot Hogben daher. Ab 1930 injizierte er den Urin von Frauen in weibliche afrikanische Krallenfrösche. Bei Vorhandensein von hCG begannen die Frösche innerhalb von 12 bis 18 Stunden zu laichen. Als der argentinische Arzt Carlos Galli- Mainini, wenig später feststellte, dass auch männliche Krallenfrösche sehr schnell mit erhöhter Spermienproduktion auf hCG reagierten, war das Schiksal der Amphibien besiegelt.

Die Tiere wurden zunächst in alle Welt verschickt und dann in Labors für den sogenannten Frosch-Test gezüchtet. So ein Tier konnte alle zwei Wochen für derartige Schwangerschaftstests wiederverwendet werden. 

Moderne Schwangerschaftstests

Erst als in den 1960er Jahren die ersten Antikörper basierten Schwangerschaftstests entwickelt wurden, fand der Frosch Missbrauch nach und nach ein Ende. 1962 wurde der erste kommerzielle Schwangerschaftstest vermarktet. Seitdem hat sich grundlegend nicht viel geändert. 

Der Urintest, den es heute in Drogerien, Apotheken und Kaufhäusern zu kaufen gibt, kann frühestens 14 Tage nach Befruchtung der Eizelle mit einer Zuverlässigkeit von 95% hCG im Urin nachweisen. Empfehlenswert ist es, dafür den Morgenurin zu nutzen, da in ihm erfahrungsgemäß die höchste hCG- Konzentration nachweisbar ist. Weiterhin kann man heutzutage durch eine Blutentnahme etwa sieben bis zehn Tage nach erfolgter Befruchtung der Eizelle hCG im Blut-Serum nachweisen. Das bedeutet, dass theoretisch eine Schwangerschaft noch vor Ausbleiben der Periode bestätigt werden könnte. 

Old school

Das ist natürlich im Vergleich zu “wir pinkeln auf ne handvoll Körner” sehr effektiv. Im Grunde geht es bei heutigen Schwangerschaftstest aber, wie schon seit etwa 100 Jahren, immer um das gute alte hCG. 

Und obwohl ich ein großer Freund des Fortschritts bin, finde ich, muss nicht alles modernisiert werden, indem es digitalisiert wird. So sind auch in den heutigen modernen Schwangerschaftstests mit großem Plastikkorpus und digitalem Display genau die gleichen Papier-Teststreifen drin, die bereits seit den Achtzigern mit Hilfe von Antikörpern und Farbstoff  hCG nachweisen. Sie können auch nur einmal benutzt werden und bieten keine höhere Zuverlässigkeit, als Papierstreifen-Tests ohne Display.

Nur mal so am Rande.